Grüne Energie aus der Wüste
In Nordafrika stehen alle Zeichen auf Wandel – auch in der
Energiepolitik. Die Region bietet optimale Voraussetzungen für die
Nutzung von Solarenergie und Windkraft. Auch Europa könnte davon
profitieren.
In Ägypten gibt es momentan kaum Gewissheiten, die politischen
Gegebenheiten ändern sich rasend schnell. Aber nicht nur durch die
Politik weht ein frischer Wind, sondern auch an den Küsten von Mittel-
und Rotem Meer. Die Ägypter machen sich die klimatischen Bedingungen zu
Nutzen: Das Land will weg von fossilen Energieträgern und zukünftig sehr
viel mehr Strom aus Wind- und Solarkraft gewinnen. Bis 2020 sollen 20
Prozent des Stroms mittels regenerativer Energien erzeugt werden -
Experten glauben nicht, dass die politischen Umbrüche dieses Vorhaben
beeinträchtigen könnten.
Potential wird nicht ausgeschöpft
Allerdings muss Ägypten noch viel tun, um sein ehrgeiziges Ziel zu
erreichen: Bisher stammt der Großteil des ägyptischen Stroms aus
fossilen Energieträgern. Da die landeseigenen Vorkommen an Gas und Öl
begrenzt sind, ist das nicht nur für die Umwelt eine enorme Belastung,
sondern auch für den Staatshaushalt. "Das hohe Potential für den Einsatz
regenerativer Energien in Nordafrika wird bisher nicht einmal annähernd
ausgeschöpft", sagt Andree Böhling von Greenpeace. Das hinge vor allem
mit den hohen Anschaffungskosten für Solar- und Windkraftanlagen
zusammen.
Die Zukunft wirft bereits ihren Schatten voraus: Der Zafarana-Windpark in Ägypten ist der größte Afrikas
In Ägypten allerdings sind bereits erste Pilotprojekte in Betrieb,
unterstützt von Geldgebern aus dem Norden: Der Zafarana Windpark, etwa
120 Kilometer südlich von Suez gelegen, gilt als bisher größter Windpark
Afrikas mit einer jährlichen Stromeinspeisung von 1.400
Gigawattstunden. Die Küste des Roten Meeres ist einer der weltweit
besten Standorte für die Nutzung von Windenergie, das diesbezügliche
Potential Ägyptens wird auf bis zu 20.000 Megawatt geschätzt, das
entspricht der Leistung von 16 Atomkraftwerken. Finanziert wird Zafarana
unter anderem mit deutschen Fördermitteln von der KfW Entwicklungsbank.
"Weitere Projekte sind in Planung", sagt Charis Pöthig von der KfW, "in
Gabal el-Zeit soll ein neuer Park entstehen, es gibt bereits ein
Abkommen mit der Regierung."
Umweltfreundliche Energien auf dem Vormarsch
Kohleverkäufer in Kairo: Erneuerbare Energien sind (noch) ein Novum in Nordafrika
Nicht nur Ägypten, sondern ganz Nordafrika steht vor einer
energiepolitischen Herausforderung. Das Bevölkerungswachstum ist
enorm, die Industrialisierung schreitet voran, entsprechend steigt der
Energiebedarf. Die einzelnen Staaten reagieren ganz unterschiedlich auf
diese Herausforderung: Länder wie Algerien, die über eigene Gas- und
Ölreserven verfügen, subventionieren diese häufig, so dass die Preise
hierfür niedrig bleiben – Leidtragende dieser Politik ist die Umwelt.
"Leider versuchen viele nordafrikanische Staaten noch immer, ihrem
Energiemangel mit Kohlekraftwerken und Atomkraft entgegenzuwirken", sagt
Böhling von Greenpeace.
Es gibt jedoch auch andere Beispiele: Marokko etwa gilt als
vorbildlich in der Region beim Ausbau regenerativer Energien. Bisher
muss das Land, ebenso wie Ägypten und Tunesien, einen Großteil seines
Stroms teuer importieren – deshalb wird seit einigen Jahren nach anderen
Lösungen gesucht, auch hier häufig mit europäischer Hilfe. "Wir
unterstützen Windparks in Essaouira und Tangier", so Pöthig von der KfW.
Der Park in Essaouira ist seit 2007 in Betrieb und liefert jährlich 210
Gigawattstunden Strom.
Wüstenstrom für Europa
Von der finanziellen und technologischen Starthilfe könnte Europa
selbst in Zukunft profitieren: Ziel der Initiative Desertec ist
es, umweltfreundlich erzeugten Strom aus Nordafrika nach Europa
zu exportieren. 15 Prozent des europäischen Strombedarfs sollen im Jahr
2050 mit Wüstenstrom aus großflächigen Solar- und auch Windkraftanlagen
in der Sahara gedeckt werden. "Technologisch sind beinahe alle Fragen
geklärt", sagt Alexander Mohanty von der Desertec-Industrie Initiative
(Dii). "Jetzt geht es darum, die entsprechenden politischen
Rahmenbedingungen zu schaffen." Mohanty betont, dass ein Großteil des
erzeugten Stroms in den Produzentenländern bleiben soll: "Die
Erzeugerländer profitieren in doppelter Hinsicht: Sie erhalten Hilfe
beim Ausbau erneuerbarer Energien und zudem werden Arbeitsplätze in
einem zukunftsträchtigen Industriezweig geschaffen."
Klimafreundliche Energie aus Nordafrika soll in Zukunft nach Europa geleitet werden
Bisher ist das Wüstenstrom-Konzept noch reine Zukunftsmusik, ein erstes
Referenzprojekt in Marokko ist in Planung. Die Erwartungen sind
freilich groß: "Der Ansatz von Desertec könnte einen wichtigen Beitrag
zur Lösung des globalen Energieproblems leisten", glaubt Böhling.
Allerdings müssen die Stromnetze zwischen Europa und Afrika weiter
ausgebaut werden – dem Greenpeace-Experten zufolge wird es wohl noch
etwa zehn Jahre dauern, bis tatsächlich Strom vom Süden in den Norden
fließt.
Von den derzeitigen politischen Unruhen und Revolutionen in
Nordafrika lassen sich die Energiepioniere nicht sonderlich
beeindrucken. "Eine Vorstudie in Tunesien ist derzeit on hold", sagt
Mohanty vom Dii. "Wir rechnen allerdings damit, dass die Unruhen
temporär sind und es bald wieder stabile politische Systeme geben wird."
Böhling sieht in den politischen Veränderungen eine Chance: "Viele der
alten Machthaber sind oder waren eng mit der Ölindustrie verbunden und
blockierten deshalb den Ausbau Erneuerbarer Energien." Mittelfristig
sei eine Demokratisierung der Region deshalb auch für Wind- und
Solarkraft von Vorteil.
Autor: Nele Jensch
Redaktion: Ranty Islam
http://www.dw-world.de/dw/article/0,,14935672,00.html
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